Die Schubladen der Gerechtigkeit

Die Schubladen der Gerechtigkeit. Wie schnell urteilst du über andere Menschen? Räuber, Mörder und andere Banditen in die Schublade links, Feuerwehrleute und Krankenpfleger in die Schublade rechts. Wut und Aversion auf der einen Seite, Lob und Respekt auf der anderen Seite.

Wie kommt es, dass du Menschen so schnell einer Kategorie zuordnest? Wer definiert Gerechtigkeit? Die Gesetze? Die Gesellschaft? Dein persönliches Wertesystem? Ist eine Nachbarin, die über jede und jeden im Dorf etwas zu erzählen hat, ein besserer Mensch als der Arbeitslose, der mangels Wohnung, am Bahnhof übernachtet?

Machen wir doch ein kleines Gedankenexperiment: eine Luxusyacht wird auf einer Kreuzfahrt von Piraten überfallen. Drücke jetzt nicht wie sonst dein Mitgefühl gegenüber den reisenden Passagieren aus. Sondern stell dir jetzt vor, dass du ein Piratenkind bist. Du wächst auf einer Insel auf. Und jedes Mal, wenn ein Schiff mit reicher Beute zurück kehrt feiert das ganze Dorf ein großes Fest. Dann denk daran, wie stolz du warst, als du als junger Pirat zum ersten Mal mitgenommen wurdest auf die große Fahrt. Du bist also ganz selbstverständlich aufgrund deiner Umgebung, in der du aufgewachsen bist, auch ein Pirat geworden. Und du würdest dich selbst nicht verdammen oder schlecht fühlen.

Die Schubladen der Gerechtigkeit. Wir bewerten und verurteilen also Menschen nach einem bestimmten Maßstab, ohne etwas über deren Lebenssituation oder deren Beweggründe zu kennen. Sehr oft wird jemand in die Schublade „schlechter Mensch“ gesteckt, weil er anders ist als wir. Er gehört einer anderen Kultur oder Religion an, hat eine andere Hautfarbe, spricht eine andere Sprache, hat anderes Brauchtum. Wenn sich jemand mit solch einer Person auseinandergesetzt hat, folgt oft die späte Erkenntnis „ja wenn ich das gewusst hätte, dann…“

Und jetzt schau mal für einen Moment auf dich selbst. In welcher Schublade steckst du gerade? Bist du heute zu spät in die Schule gekommen? Hast du dir wieder einmal keine Zeit für deine Kinder oder Eltern genommen? Du hast wieder einmal eine Notlüge verwendet, um vor dem Lehrer oder dem Chef gut da zu stehen? Diese oder andere Situationen findest du in der Schublade links. Heute deine Tante im Altersheim besucht oder mit deinen Kindern auf dem Spielplatz gewesen, die Hausaufgaben geschrieben oder den Rasen gemäht und schon bist du in der Schublade rechts. Es ist gar nicht so einfach etwas in angemessenes oder unmögliches Verhalten einzuteilen. Aber mache dir bewusst, dass du immer die Chance hast an dir zu polieren und jeden Tag ein bisschen liebevoller zu dir zu sein kannst als am Tag zuvor.

Die Schubladen der Gerechtigkeit. Immer dann, wenn es dir gelingt, das Verhalten von der Person die dahinter steckt zu trennen und das Gute – welches in jedem Menschen vorhanden ist – zu entdecken, hast du nach deinem Herzen gehandelt. Immer dann, wenn du dich selbst nicht kritisierst, sondern geduldig und liebevoll zu dir bist, stärkst du deinen Selbstwert!